Civil G8 2006

Die Civil G8 – eine Möglichkeit für alle,
die globalen Probleme zu diskutieren!

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„Handel, Finanzierung der Entwicklung und die Probleme Afrikas“. Empfehlungen des Forums zum Treffen der Führer der G8-Staaten in Sankt Petersburg im Juli 2006.


Mehr als 300 Vertreter der Zivilgesellschaft aus der ganzen Welt trafen sich in Moskau auf dem Treffen der Civil-G8, das der Vorbereitung zum G8-Gipfeltreffen in Sankt Petersburg gewidmet war. Wir verliehen unserer Solidarität mit den Menschen Ausdruck, die in Armut in den Entwicklungsländern und in den Schwellenländern leben, darunter auch in Russland selbst.

Handel

Die Organisationen der Zivilgesellschaft sind der Meinung, dass die G8 dafür sorgen muss, dass die Regeln für den Handel und die Finanzierung der Entwicklung dem Wohl einer nachhaltigen Entwicklung, zum Schutz, zur Verwirklichung und Respektierung der ökologischen, sozialen und der Menschenrechte, sowie des Grundrechts auf Arbeit, wie sie in den Richtlinien der International Labor Organisation widergespiegelt sind, dienen.

Die existierenden Ansätze zu einer Liberalisierung des Handels und der Finanzierung der Entwicklung untergraben die Menschenrechte und erhöhen den Konsum, der nicht den Prinzipien einer nachhaltigen Entwicklung entspricht, sowie die Verschmutzung der Umwelt. Wir empfehlen den Ansatz des „Fairen Handels“ für die Aufstellung von Handelsregeln, bei denen die Interessen der Menschen und des Planeten vorrangig sind.
Die Entwicklungsländer müssen das Recht haben, ihre Wirtschafts- und Staatspolitik selbst zu bestimmen. Die G8 müssen den Entwicklungsländern dabei helfen, die nötige Flexibilität und den Raum für Manöver in der Politik, die für eine Verwirklichung der Entwicklungsziele und der nationalen Interessen notwendig sind. Dazu gehören der Schutz von Kleinbauern, der neu entstehenden Industriezweige und die Gewährleistung des Zugangs zu grundlegenden Dienstleistungen.

Es muss das Problem der ungenügenden Rolle der Parlamente und Kongresse gelöst werden. Zur Zeit haben diese Organe nicht das Recht, Vorschläge, die mit Verträgen über Beihilfen und Kredite zusammenhängen, zu genehmigen, ändern oder abzulehnen. In vielen Ländern stellen Beihilfen und Kredite in bedeutendem Ausmaß, manchmal auch zum Großteil eine Finanzierung der Entwicklung dar. Die G8 sollen eine Erklärung dahingehend abgeben, dass diese Praxis der Einschränkung der Rolle der Vertretungsorgane im Prozess der Entscheidungsfindung ein Ende finden muss.

Wir rufen die G8 dazu auf, unverzüglich das Problem des demokratischen Defizits in der Welthandelsorganisation zu beseitigen. Dazu gehört die entsprechende Behandlung der Handelsabkommen durch die Parlamente, die Erhöhung des Potentials für die Teilnahme von Entwicklungs- und Schwellenländern an Handelsgesprächen und die Annahme von unvoreingenommenen Ratschlägen. Wir sind der Meinung, dass der Grad der Teilnahme der Zivilgesellschaft an der WTO dergleichen sein muss wie bei der UNO, und ersuchen die G8, diesen Vorschlag zu unterstützen.

Wir sind der Meinung, dass das TRIPS (Übereinkommen über handelsbezogene Aspekte der Rechte des geistigen Eigentums) eine Barriere für den Zugang von armen Menschen zu grundlegenden Medikamenten ist. Die G8 sollen das Recht auf Gesundheit zu einem Grundrecht der Menschen erklären. Wir rufen dazu auf, den Entwicklungsländern und Schwellenländern mehr Spielraum auf dem Gebiet des TRIPS zu gewähren. Außerdem schlagen wir vor, dass nicht die Welthandelsorganisation die Sphäre der grundlegenden Dienstleistungen (Gesundheitswesen, Bildung, Zugang zu Wasser und Energie) regeln soll, und rufen die G8 dazu auf, diesen Vorschlag zu unterstützen.

Das Allgemeine Abkommen über den Handel mit Dienstleistungen (GATS) ist infolge dessen, dass es mit dem Handel mit grundlegenden Dienstleistungen zusammenhängt, eine Quelle der Besorgnis für die Zivilgesellschaft. Die Regierungen, die sich zu einer breiten Liberalisierung dieser Sektoren verpflichten, schaffen Hindernisse für eine zukünftige Entwicklung der Verwaltung und Schaffung von Garantien zur Leistung dieser Dienste, die für die Verwirklichung der Menschenrechte unabdingbar sind. Die G8 sollen diese Sektoren zu den nicht zum Gültigkeitsbereich des GATS gehörenden Sektoren erklären.

Die G8 sollen erklären, dass von Ländern, die Verhandlungen über den Eintritt in die Welthandelsorganisation führen, keine Verpflichtungen der Art des „WTO-Plus“ gefordert werden oder ihnen andere Bedingungen gestellt werden dürfen, die eine ungünstige Auswirkung auf die Bedingungen ihrer Entwicklung haben können. Die G8 sollen sich auch für die Gewährung einer größeren Flexibilität in der Politik (eines besonderen oder differenzierten Regimes usw.) gegenüber Schwellenländern aussprechen, und zwar derselben, wie sie auch Entwicklungsländern und in Einzelfällen den am wenigsten entwickelten Ländern gewährt wird.
Während die hochentwickelten Länder ihre eigene landwirtschaftliche Produktion weiterhin bedeutend stützen, haben sie die Unterstützung für die Warenproduktion in Entwicklungsländern in bedeutendem Ausmaß gekürzt. Wenn man die Abhängigkeit der G8-Länder von den Waren aus Entwicklungsländern berücksichtigt, sollten die G8 Waren aus Entwicklungsländern einen besseren Zugang zu ihren Märkten gewähren und die Mechanismen zur Erhöhung der Einnahmen der Entwicklungsländer aus der Warenproduktion unterstützen. Es müssen effektive Instrumente zur Unterstützung von Kleinbauern in Entwicklungsländern geschaffen werden, insbesondere zur Gewährleistung der Sicherheit der Lebensmittelversorgung.

Die G8 müssen die Entwicklung der Infrastruktur unterstützen, die für die Entwicklung des „Süd-Süd-Handels“ notwendig ist.

Afrika

Die G8 müssen ihre Unterstützung für die Gewährleistung des Zugangs der Menschen in Afrika, besonders der Armen und der Randschichten der Gesellschaft, zu den grundlegenden Dienstleistungen erhöhen, damit die Einhaltung ihrer sozialen Rechte und ihrer Menschenrechte gewährleistet ist.

Als die Vertreter der internationalen Zivilgesellschaft treten wir für die Bestätigung der positiven Verpflichtungen ein, die im Aktionsplan der G8 zu Afrika enthalten sind und die die G8 auf dem Gipfeltreffen in Gleneagles auf sich nahmen. Wir rufen die G8 dazu auf, diese Verpflichtungen einzuhalten und sich zu ihrer Verwirklichung zu verpflichten, um die Armut in Afrika zu beseitigen.

In Zusammenhang damit, dass Russland in diesem Jahr Kopräsident der Treffen auf hoher Ebene des Forums «Partnerschaft mit Afrika» ist, soll die russische Regierung den Status des Forums heben, indem sie die Teilnahme der G8-Länder an den Treffen auf Ministerebene fördert.

Um den Beitrag zum Prozess der Zusammenarbeit im Rahmen der G8 zu maximieren, empfehlen wir, einen ständigen Koordinierungsmechanismus für die Einbeziehung der Zivilgesellschaft in den Prozess der G8 und des Forums «Partnerschaft mit Afrika» zu schaffen. Die Foren der Teilnahme der Zivilgesellschaft sollen von den Gruppen der Zivilgesellschaft Afrikas selbst in Zusammenarbeit mit deren internationalen Partnern festgelegt werden.

In Anbetracht der Wichtigkeit der Geldüberweisungen der Diaspora Afrikas und anderer Entwicklungsländer nach Hause und in Anbetracht ihres wichtigen Beitrags zur Sache des Kampfes gegen die Armut, müssen die G8 die Mechanismen des Verzichts auf Kommissionen oder Steuern unterstützen, mit denen diese Überweisungen belegt werden. Zusätzlich müssen Geldüberweisungen geregelt werden, um eine Senkung der ausbeutenden Tarife und Steuern, sowie eine Einzahlung von Mitteln in einen Entwicklungsfonds zur Hilfe für die Empfängerländer zu gewährleisten.

Finanzierung zur Entwicklung

Das Abschreiben von Schulden ist eine der wichtigsten Grundlagen für einen fairen Handel. Wir rufen die G8 dazu auf, die folgenden Vorschläge zu unterstützen:
• Die Initiative zur Senkung der Schulden der ärmsten Länder (HIPC-Initiative) muss verstärkt (da zur Zeit die Länder, die von der Initiative umfasst werden, noch keine Schuldenstabilität erzielt haben) und ausgeweitet werden (damit mehr Länder umfasst werden können, die unter der Schuldenlast leiden; dazu gehören auch einige Länder auf dem Gebiet der ehemaligen UdSSR);
• Die Ressourcen zur Abschreibung von Schulden müssen durch offizielle Entwicklungshilfe ergänzt werden, die diesen Ländern zur Zeit gewährt wird;
• Die Senkung der Schulden darf den Empfängerstaaten keine politischen Bedingungen auferlegen, besonders auf dem Gebiet der Menschenrechte, unter anderem was die Stimulierung einer nachhaltigen Entwicklung, die Sicherheit der Lebensmittelversorgung und der Versorgung mit grundlegenden Dienstleistungen wie dem Gesundheitswesen, der Bildung und dem Zugang zu Wasser und Energie betrifft.

In den Schuldenfragen müssen die G8:
• Initiativen zu einer innovativen Finanzierung unterstützen: den Internationalen Finanzfonds (IFF), eine Steuer auf Flugtickets und die Regelung von Agenturen, die Geldüberweisungen durchführen;
• die Idee einer Kompensation der Kommissionen und Steuern auf Geldüberweisungen und die Regelung dieser Sphäre unterstützen;
• eine Übersicht über den Fortschritt bei der Erreichung der Ziele der Gewährung einer zusätzlichen Hilfe von 50 Millionen US-Dollar bis zum Jahr 2010 verwirklichen; bestätigen, dass alle G8-Länder diese Ziele bis zum Jahr 2010 verwirklichen können. Es ist notwendig zu erklären, dass diejenigen G8-Länder, die sich erst einverstanden erklären müssen, zur Erreichung des Zieles 0,7% ihres Gesamtnationaleinkommens für die Entwicklungshilfe zu verwenden, das jetzt tun.
• Fortschritte auf dem Gebiet der Einhaltung der Verpflichtung zu machen, die Hälfte der gesamten zusätzlichen offiziellen Entwicklungshilfe für Afrika in die Länder südlich der Sahara zu lenken.

Im Jahr 2005 machten die G8 spezifische Versprechungen bezüglich der Bildung und des Gesundheitswesens, die nun gehalten werden müssen. Die G8 müssen eine Übersicht über den Fortschritt bei der Erreichung der Jahrtausendentwicklungsziele auf dem Gebiet der Bildung geben und die vollständige Einzahlung ihres Beitrags zu den Programmen „Bildung für alle“ und „Initiative für eine beschleunigte Bildung“ abmachen. Die G8 müssen auch den Fortschritt beurteilen, der bei der Erreichung des Zieles der allgemeinen Behandlung von HIV/AIDS bis zum Jahr 2010 gemacht werden soll, und über die vollständige Leistung ihres Finanzbeitrags zum Globalen Gesundheitsfonds übereinkommen. In Anbetracht der schlechten Qualität des Gesundheitswesens in vielen Entwicklungsländern und Schwellenländern müssen sich die G8 auch verpflichten, die Abschaffung der Bezahlung für Dienstleistungen auf dem Gebiet des Gesundheitswesens zu fördern und in das Gesundheitswesen dieser Länder zu investieren.

Das Kommunique der G8 von 2005 enthält eine Erklärung darüber, dass die Geberländer bestrebt sein sollen, die Pariser Deklaration vom Februar 2005 über die Effektivität der Hilfe vollständig zu verwirklichen. Die G8 sollen übereinkommen bezüglich der Arten, auf die die Geber für die Verwirklichung der Pariser Deklaration verantwortlich gemacht werden können, und die Politik der an die Bedingungen geknüpften Hilfe, dass der Empfänger eine bestimmte Wirtschaftspolitik verfolgt, einschließlich der „gebundenen Hilfe“, einstellen.

Die G8-Länder sollen versichern, dass sie die Einhaltung der Gesetzgebung bezüglich der Kapitalflucht gewährleisten, die einen illegalen Transfer von Geldern aus den Entwicklungsländern darstellt. Die G8 sollen auch das Problem der unzulässigen Verwendung von Offshore-Banken diskutieren, die es Firmen erlaubt, sich ihrer finanziellen Verpflichtungen gegenüber den Empfängerstaaten zu entziehen.

Die G8 sollen klare Schritte zur Einhaltung eines obligatorischen Verhaltenskodexes unternehmen, der die Verantwortung privater Unternehmen gewährleistet. Gleichzeitig ist eine gute Verwaltung ein wichtiger Aspekt bei der Schaffung einer stabilen und sicheren Gesellschaft. Wir unterstützen alle Länder, die die Bestimmungen der UNO-Konvention zum Kampf mit der Korruption und der Initiative für eine Transparenz der extraktiven Zweige ratifiziert haben.



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